Samstag, 5. Oktober 2024


 

 

 

Ekkelin Gayling vom Walde oder wie er im Volksmund genannt wurde Eppelein von Gailingen.Einer der Helden meiner Kindheit. Nicht nur meiner. Fast jedem meiner Altersgenossen, die ihre Kindheit in Nürnberg der 70er Jahre erlebten, war der Strauchritter wohlbekannt. Heute kräht kein Hahn mehr nach dem fränkischen Robin Hood oder Till Eulenspiegel. Immerhin prangen bis heute die Hufabdrücke seines Rosses auf einer Mauer der Nürnberger Burg, mit dem er angeblich dem sicheren Tod mit einem kühnen Sprung über den Burggraben entkam. Die Abdrücke sind natürlich nicht authentisch. Es gibt sie sogar in dreifacher Ausführung. Damit wirklich jeder interessierte Tourist diese auch findet.

Wie an den meisten Anekdoten über die Streiche des Eppelein von Gailingen, so ist an diesem Mauersprung vermutlich genauso wenig dran. Um 1500 berichtete ein Augsburger Flugblatt erstmals von den Abenteuern des fränkischen Ritters. Vier bis fünf Generationen nach seinem Tod wurde Ekkelin also eine literarische Figur. Eine wahre Renaissance erlebte diese Figur im 19. Jahrhundert und es folgte eine Flut von Geschichten über Eppelein von Gailingen. Für alle ihm angedichtete Taten findet sich in ernst zu nehmenden Quellen nicht der kleinste Hinweis.

Immerhin weiß man seinen Todestag genau. Der 15. Mai 1381. Sein Geburtsjahr jedoch schwankt zwischen 1308, 1310 und 1314. Ich entschied mich für 1310, die goldene Mitte. Die verbürgten Besitzungen der Gayling verteilten sich über halb Unter- und Mittelfranken, von Rothenburg bis Gunzenhausen, nicht aber an der Grenze zu Oberfranken, wie es uns die Legende erzählt. Es existieren bei Trainmeusel (oberhalb des Wiesenthals in der Fränkischen Schweiz) tatsächlich Mauerreste, die in die Zeit passen und durchaus Teil einer Wehranlage gewesen sein könnten. Ebenso könnte es möglich sein, dass Ekkelin/Eppelein das Gemäuer als Unterschlupf von den Schlüsselbergern erhalten hatte. Soll er doch mit Konrad von Schlüsselberg freundschaftlich verbunden gewesen sein. Während der Belagerung 1347 von Burg Neideck durch die Burggrafen und Bischöfe von Bamberg und Würzburg, hatte Ekkelin den Belagerungsring durchbrochen und für Verpflegung der Eingeschlossenen gesorgt (so sagt man).

Gebracht hat es nicht viel (wenn es denn so geschehen ist), letztendlich erlag Konrad von Schlüsselberg dem ersten ernst zu nehmenden Angriff und seine Besitztümer teilten Burggrafen und Bischöfe unter sich auf.

Möglicherweise war Burg Dramaus (wenn es diese Burg gegeben hat) danach herrenlos und von Ekkelin für seine Zwecke okkupiert worden. Nichts davon ist verbürgt, trotzdem nahm ich Dramaus in meiner Geschichte auf. Ebenso wie einige sehr verbreitete Anekdoten über Ekkelins Streiche. Wobei ich sie nicht neu erzähle, aber im Text darauf hingewiesen wird. Ekkelins berühmte Flucht über den Burggraben von Nürnberg ereignete sich nach den Geschehnissen dieses Buches. Ich verwob den historischen Ekkelin mit der Fabelgestalt Eppelein, mit Blick auf die tatsächlichen Probleme und Beweggründe der kleinen Ritter, dessen Niedergang das 14. Jahrhundert einläutete. Mit Sicherheit hatten sie die Zeichen der Zeit erkannt, aber unbeugsamer Stolz und die Weigerung unumkehrbare Veränderungen anzunehmen und sich anzupassen, trieb sie in einen erbitterten wie sinnlosen Kampf, bei dem die meisten dieser Rittergeschlechter alles verloren. Mein Ekkelin sollte all das verkörpern. Eine Person, die man einerseits lieben möchte, andererseits aber fürchten muss.

Eine ähnlich unklare Lage, wie die wahre Gestalt des Ekkelin Gayling, ergibt sich während des Handwerkeraufstandes 1348 in Nürnberg und betrifft die zwei Rädelsführer. Harnischmacher Rudolph Haubenschmidt, genannt Geißbart, führte die Handwerker an. Die Bürgerlichen Verschworenen folgten einem gewissen Hans Pfauentritt. Haubenschmidt wurde 1349, nachdem der frisch gekrönte Kaiser Karl den Aufstand niedergeschlagen und die alten Ratsherren wieder in ihre Ämter eingesetzt hatte, „auf ewig 30 Meilen weit bei dem Hals“ mit  Bruder und Sohn der Stadt verwiesen. Die Person des Pfauentritts ist urkundlich nicht festzustellen und kommt auch nicht in dem Verzeichnis der nach dem Aufstand Geächteten vor.

Eine wunderbare Gelegenheit, Ekkelin Gayling in die Kleider eines bürgerlichen Hans Pfauentritt schlüpfen zu lassen und gemeinsam mit dem Geißbart die Verschworenen zu einem Umsturz zu bewegen.

Lothar Nietsch

 

 

Quellennachweise:


Dr. Emil Reicke, Nürnberg. Verlag für Kunstreproduktion Christoph Schmidt.

ISBN 3 923 006 29 2

 

H. Kunstmann. Die Burgen der südwestlichen fränkischen Schweiz

Komissionsverlag Degener & CO., Neustadt/Aisch

 

H. Kunstmann. Die Burgen der östlichen fränkischen Schweiz

Komissionsverlag Degener & CO., Neustadt/Aisch

 

Gustav Voit. Die Schlüsselberger

Herausgegeben von der Altnürnberger Landschaft e. V. ISSN 0516-8325

 

Gustav Voit, Heinz Stark, Volker Alberti. Burgen, Ruinen und Herrensitze der fränkischen Schweiz

Herausgegeben von der Altnürnberger Landschaft e. V. ISBN 3 924158 34 7

 

Harry Kühnel Hrsg. Alltag im Spätmittelalter

Weltbild, ISBN 3 8289 0550 1

 

Werner Schoger. Raubritter Eppelein von Gailingen und seine Zeit.

Verlag Degener & Co., Insingen, ISBN 978 3 7686 9314 1

 

Kurt Pilz. Das Handwerk in Nürnberg und Mittelfranken

Druck- und Verlagsanstalt H. P. Jffland